Antisemitismus-Beauftragter Ludwig Spaenle beim HGV- Neujahrsempfang in Pappenheim

Von Jürgen Leykamm
Seit seiner Gründung vor 17 Jahren verweist der Heimat- und Geschichtsverein (HGV) Pappenheim und Ortsteile auf das dortige, reiche und historische Erbe jüdisch-christlichen Zusammenlebens. Und wird so in einer Zeit, in der ein Krieg im Nahen Osten verstörende Auswüchse in Deutschland zeigt, zur wichtigen Stimme der Verbundenheit mit Israel. So klang es beim Neujahrsempfang des Vereins in einer Kunstgalerie des Ortes an.

Den stimmungsvollen Auftakt dazu gab es aber unter freiem Himmel vor dem gegenüberliegenden Leinweberhaus, wo der Posaunenchor Pappenheim-Langenaltheim das Jahr 2024 begrüßte. Fragend, was es denn wohl bringt. So zumindest ließ sich das Stück „How will I know“ (Whitney Houston) interpretieren.
Im Inneren der von der Künstlerin Birgit van der Gang betriebenen Galerie Pappenheim in der Deisingerstraße waren die Gäste dann vor allem auf die Worte von Ludwig Spaenle gespannt, seines Zeichens Antisemitismus-Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung.
Er kam ohne Umschweife auf die Situation in jenem jüdischen Staat zu sprechen, der im Oktober vergangenen Jahres von menschenverachtenden Angriffen der Hamas und nachfolgender Gräueltaten heimgesucht wurde. Einen kleinen Einblick in die Auswirkungen des furchtbaren Geschehens habe er bei einem Besuch im Kibbuz NirOz bekommen, das in nur etwa zwei Kilometern zum Gaza-Streifen liegt. Was er da gesehen habe, lasse Rückschlüsse auf barbarische Attacken zu, „die nur noch mit dem Naziterror vergleichbar sind!“ So ein aufgebrachter und entsetzter Antisemitismus-Beauftragter. Es habe hier ein regelrechtes „Schlachten von Menschen“ stattgefunden. Von einer behinderten Frau etwa seien nur noch die Metallüberreste eines verbrannten Rollstuhls übriggeblieben. Nach den Terrorverbrechen habe dann auch noch ein Mob geplündert. Vor diesem Hintergrund ging Spaenle dann auch mit der in seinen Augen einseitigen medialen Betrachtung des Kriegs ins Gericht: „Täglich höre ich Aufrufe an Israel zur Humanität, aber nie höre ich Forderungen, dass Hamas den Beschuss einstellen soll“. Zudem sei es nicht zu tolerieren, dass aufgrund „der dramatischen Lage im Nahen Osten jüdische Bürger in Deutschland mit Übergriffen rechnen müssen“. Im Gegenzug scheute sich Spaenle aber auch nicht, Nachkriegspläne aus den Reihen der israelischen Regierung zur Wiederbesiedlung des Gazastreifens als „rechtsextrem“ zu bezeichnen. Längst habe der kriegerische Konflikt auch das Bundesgebiet erreicht. So sei etwa auch der muslimische Trainer eines Vereins samt Familie existenziell bedroht worden. Sein „Vergehen“: Er wollte sein Team gegen ein jüdisches antreten lassen.
Für Völkerverständigung und Verbundenheit zu Israel trete hingegen der HGV ein; „Damit leisten Sie eine wichtige Arbeit in schwerer Zeit“, würdigte Spaenle. Pappenheim könne nicht nur auf ein ganzes Jahrtausend mit jüdischem Leben verweisen und sei damit ein „rühmlicher Hotspot“, sondern begreife dieses Erbe auch als Teil der eigenen Geschichte: „Das ist eine Botschaft, die man zurzeit gar nicht laut genug sagen kann!“
Wenngleich man freilich festhalten müsse, dass es ein „schmerzhafter Weg“ gewesen sei, den beide Kulturen gemeinsam beschritten hätten. Doch gerade nach dessen schwärzestem Teilstück war bald wieder ein Licht am Ende des Tunnels zu sehen. So deutete es Ruth Ceslanski an, jüdische Vorsitzende der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) in Franken. Denn genau diese sei relativ bald nach dem Zweiten Weltkrieg wieder möglich gewesen. In die Zeit davor, währenddessen und danach entführt ein beim Empfang kurz vorgestelltes Buch des Eichstätter Lokalhistorikers Maximilian Ettle über Salomon Hänlein (der auf dem jüdischen Friedhof Pappenheims begraben liegt) und seine Nachfahren.

Gut zwei Jahrzehnte nach der 1200-Jahr-Feier der Altmühlstadt erinnerte wiederum HGV-Vorsitzende Renate Prusakow an das damalige 1.300 Meter lange „Seil der Verbundenheit“ um die Burg und forderte die Anwesenden auf, nun zumindest symbolisch ein neues Band zu knüpfen. Eines der „Verbundenheit mit Israel und unseren Freunden“.
Wie eng die Kulturen verknüpft seien, erweise bereits die Sprache. Der „gute Rutsch“, den man sich etwa zu Silvester gewünscht habe, entstamme einer jüdischen Redewendung. Erfreut zeigte sich die Vereinschefin über die jüngste Steigerung der Mitgliederzahl. Die Wanderausstellung, mit der sich der Verein 2021 zum Jubiläum „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ beteiligt habe, sei im Dezember 2023 wieder nach Pappenheim zurückgekehrt. Auch für dieses Jahr hat man so einiges vor: So hofft der HGV noch im März in der Deisinger Straße „ein kleines, aber feines jüdisches Museum einrichten zu können“, so Prusakow. Bis dahin aber gelte es noch „einige Hürden zu überwinden.“ Auch eine Ausstellung ist geplant. „Wir treiben das voran, was sowohl der Stadt wie auch dem Landkreis nutzt – trotzdem müssen wir uns ärgern“, bedauerte sie den Gegenwind, der so manchem Vereinsvorhaben entgegenblase.
Hier wünsche sie sich „mehr Geschichtsstolz“, bekräftigte sie eine Forderung, die sie schon 2021 im Gespräch mit unserer Zeitung erhoben hatte. Dazu beitragen kann ja vielleicht der Besuch des dreitägigen Pappenheimer Geschichtsforums, das im September seine Premiere im Europäischen Haus feiert. Ein Lob für die vielen Vereinsaktivitäten gab es schließlich von Vizelandrat Günter Obermeyer, bevor der Posaunenchor diesmal im Inneren der Galerie den offiziellen in den gemütlichen Teil des Empfangs übergehen ließ.

Alle Fotos Jürgen Leykamm